München. Tina Schmidt-Kiendl ist seit einer
Bandscheibenoperation querschnittsgelähmt und auf einen Rollstuhl
angewiesen. Die Wirtschaftsingenieurin arbeitet bei der BMW Group als
Leiterin Projektmanagement und hat ihr Handicap auf ganz besondere
Weise in ihren zweiten Beruf integriert: Als Instruktorin der BMW M
Driving Experience hat sie ein spezielles Fahrsicherheitstraining für
Menschen mit Behinderung entwickelt, das zeigt: Das Markenversprechen
"Freude am Fahren" gilt für alle. Ob mit oder ohne Behinderung.
Bei der BMW AG arbeiten zahlreiche Menschen mit Behinderung. Die
Schwerbehindertenquote des Unternehmens lag 2023 bei 6,0 Prozent und
damit – wie in den Jahren davor – über den gesetzlichen Anforderungen.
Zusätzlich vergab die BMW AG im vergangenen Jahr Aufträge an
Werkstätten für Menschen mit Behinderung in einer Gesamtsumme von rund
42,7 Mio. Euro.
Die Fähigkeiten dieser Mitarbeitenden tragen zur Vielfalt im
Unternehmen bei und wird bewusst gefördert. „Diversity hat für uns
einen hohen Stellenwert. Wir sind der festen Überzeugung, dass uns
Vielfalt in allen Dimensionen innovativer und wettbewerbsfähiger
macht. Dazu sind Chancengleichheit und Inklusion unabdingliche
Voraussetzung. Wir haben dafür eine ganze Reihe an Maßnahmen auf den
Weg gebracht", sagt Barbara Burghardt, Bereichsleiterin HR
Business and Talent Development sowie Inklusionsbeauftragte der BMW AG.
Den Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung am 3. Dezember
nimmt die BMW Group zum Anlass, aufzuzeigen wie Inklusion im
Unternehmen gelebt wird. An diesem Tag finden weltweit Aktionen statt,
die für das Thema sensibilisieren und bewusst machen, dass eine
Behinderung jeden treffen kann.
Behinderung hat viele Gesichter
Peter Thiele, Entwicklungsingenieur für Fahrzeugarchitektur, ist seit
einem Schlaganfall schwer eingeschränkt. Gabriele Stern,
Kommunikationstrainerin und Coach, ist von Geburt an fast vollständig
blind. Beide arbeiten wie Tina Schmidt-Kiendl und viele andere
Kolleginnen und Kollegen mit einer Schwerbehinderung bei der BMW Group
und machen deutlich, wie viele Gesichter das Thema hat.
Es gibt sichtbare Einschränkungen wie jene von Tina Schmidt-Kiendl
oder Gabriele Stern, die einen Rollstuhl oder einen Blindenstock
erfordern. Viele andere sind unsichtbar wie die von Peter Thiele, der
eine kognitive Beeinträchtigung hat. Tatsächlich gibt es eine Vielzahl
von Behinderungen, die von außen nicht auf den ersten Blick erkennbar
sind: Depressionen gehören dazu, Parkinson, Krebs- und
Herz-/Lungenerkrankungen, aber auch Panikattacken oder bipolare
Störungen. Nicht immer fällt es den Betroffenen leicht, darüber zu
sprechen. Die BMW Group ermutigt dazu. Denn nur so können sie Schutz,
Unterstützung und Förderung erfahren. Die
Schwerbehindertenvertretungen an den jeweiligen Standorten sind eine
Anlaufstelle, die Mut machen und Menschen in diesem Prozess begleiten.
Gehörlosen-Lernstatt ab 3. Dezember auch am Standort München
Die Inklusion von Mitarbeitenden entsprechend ihrer körperlichen und
geistigen Fähigkeiten ist bei der BMW Group in einer
Betriebsvereinbarung verankert. Sie umfasst Maßnahmen, die die
gleichberechtigte Teilhabe im Arbeitsalltag ermöglichen und damit
Vielfalt fördern. Dazu gehört beispielsweise das Konzept der
Lernstatt, einer Initiative für Menschen mit einer Höreinschränkung.
Die Lernstatt ist eine Informations- und Kommunikationsplattform, auf
der sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einer Höreinschränkung
mit Unterstützung eines Gebärdensprachdolmetschers über Lerninhalte
und Fachwissen austauschen können. So werden die Kolleginnen und
Kollegen noch besser in Prozesse und das Arbeitsumfeld integriert.
Die Gehörlosen-Lernstatt startete vor mehr als 30 Jahren im Werk
Dingolfing, mittlerweile gibt es das Konzept auch in Landshut, Leipzig
und Eisenach. Am 3. Dezember wird am Standort München eine weitere
Lernstatt eröffnet.
Darüber hinaus wurden aus der Inklusionsvereinbarung Leitfäden
entwickelt, die BMW Group weite Vorgaben zur Barrierefreiheit beim Bau
und der Anmietung von Arbeitsstätten machen sowie zur digitalen Barrierefreiheit.
Inklusion gilt weltweit
Inklusion wird bei der BMW Group weltweit umgesetzt, immer unter
Berücksichtigung der jeweiligen gesetzlichen Vorgaben und der
unterschiedlichen Schwerpunkte der einzelnen Nationen. So ist in
Großbritannien Neurodiversität ein zentrales Thema, in Australien
liegt der Fokus auf psychischer Gesundheit. Dazu werden lokal
spezielle Aktionstage veranstaltet. Bei aller unterschiedlichen
Ausrichtung bleibt der Kern der Bestrebungen der gleiche: allen
Menschen eine gleichberechtigte Teilhabe am Berufsleben zu
ermöglichen. In Ländern, in denen es noch mehr Berührungsängste im
Umgang mit dem Thema Behinderung gibt oder gar eine Stigmatisierung
der Betroffenen, bleibt es eine Herausforderung, gute Wege zur
Umsetzung von Inklusion zu finden.
Blick in die Zukunft: Digitalisierung bietet Chancen bei Inklusion
Die Digitalisierung wird neue Chancen eröffnen, Inklusion noch weiter
voranzutreiben. Technologiebarrieren werden überwindbar sein und es
können neue Tätigkeiten entstehen, in denen Menschen mit einem
Handicap ihre besonderen Stärken gezielt einsetzen können. Wenn es
keinen Unterschied mehr macht, ob jemand eine Behinderung hat oder
nicht, ist Inklusion geschafft.
Inklusion wird im Unternehmen dann lebendig, wenn alle mitmachen:
Selbstwusste Menschen mit einer Behinderung, die offen und
selbstverständlich mit ihrer Einschränkung umgehen und zeigen, welche
Fähigkeiten und Talente sie haben. Und Kolleginnen und Kollegen ohne
Behinderung, die ohne Scheu und Berührungsängste auf sie zugehen.
Inklusion braucht Begegnung auf Augenhöhe.
Die Münchner Mitarbeitenden Tina Schmidt-Kiendl, Peter Thiele und
Gabriele Stern sind Vorbilder, die anderen Mut machen, den
Berufsalltag auch mit Einschränkung zu gestalten.
Tina Schmidt-Kiendl: „Ich war vor meiner
Schwerbehinderung bei der BMW Group tätig und bin es jetzt im
Rollstuhl genauso. Und das klappt sehr gut! Ich konnte mein Handicap
sogar ganz gezielt in meine berufliche Tätigkeit integrieren, indem
ich das Fahrsicherheitstraining für Menschen mit Behinderung im
Unternehmen entwickelt habe. Damit möchte ich anderen Betroffenen
Souveränität und Sicherheit im Straßenverkehr ermöglichen. Beim
Training geht es darum, die Faszination der Technik in unseren
neuesten Fahrzeugen zu erleben, die speziell umgebaut wurden, um sie
manuell zu bedienen. Wir erleben gemeinsam einen Tag voller Freude am
Fahren, ein Handicap hindert niemanden daran.“
Gabriele Stern: „Im Berufsalltag habe ich vor allem
zwei Hilfsmittel an meiner Seite: Meinen Blindenstock als taktilen und
mobilen Begleiter und eine spezielle Braille-Hard- und Software, die
es mir ermöglicht, weitgehend barrierefrei digital unterwegs zu sein.
Aufgrund meiner Einschränkung sind meine anderen Sinne besser
trainiert. So ist die auditive Wahrnehmung bei mir besonders stark
ausgeprägt. Davon profitiere ich in meinem Beruf als
Kommunikationstrainerin und Coach. Denn da kommt es sehr auf aktives
Zuhören und genaues Hinhören an. Außerdem habe ich sehr feine Antennen
entwickelt für alles, was zwischen den Zeilen steht. So gelingt es, in
den Coachings an die Wurzeln eines Themas zu gelangen und eine
intensive Verbindung zu den Menschen aufzubauen.“
Peter Thiele: „Seit meinem Schlaganfall habe ich
kognitive Einschränkungen, die sich in Konzentrations- und
Gedächtnisproblemen äußern. Am Arbeitsplatz habe ich zunächst mit
niemandem darüber gesprochen, ich dachte, ich komme damit zurecht.
Aber mit der Zeit habe ich meinen Arbeitsalltag als anstrengend und
zuweilen aufreibend erlebt. Es war belastend, meine Einschränkung
ständig kompensieren zu müssen und sie nicht nach außen zu tragen.
Schließlich habe ich mit Unterstützung der Schwerbehindertenvertretung
meine Kolleginnen und Kollegen eingeweiht. Das war eine große
Entlastung. Jetzt fühle ich mich freier, kann auch mal Aufgaben
ablehnen, die mich übermäßig anstrengen.“