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Jochen Neerpasch zum BMW Junior Team: „Gemeinsam lernen, um gemeinsam besser zu werden“.
Mon Jun 08 17:35:12 CEST 2020 Pressemeldung
Mit der Aussicht auf den angestrebten Saisonstart der Nürburgring Langstrecken-Serie (NLS) Ende Juni nehmen auch die Vorbereitungen auf der ersten Renneinsatz des BMW Junior Teams wieder Fahrt auf. Sollte es die aktuelle Situation zulassen, werden die Junioren am 27. Juni ihre ersten Rennrunden auf der Nordschleife absolvieren. Gespannt beobachtet werden sie von Jochen Neerpasch.
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Ingo Lehbrink
BMW Group
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Ingo Lehbrink
BMW Group
München. Mit der Aussicht auf den angestrebten Saisonstart der
Nürburgring Langstrecken-Serie (NLS) Ende Juni nehmen auch die
Vorbereitungen auf der ersten Renneinsatz des BMW Junior Teams
wieder Fahrt auf. Sollte es die aktuelle Situation zulassen, werden
die Junioren am 27. Juni ihre ersten Rennrunden auf der Nordschleife
absolvieren. Gespannt beobachtet werden sie von Jochen Neerpasch.
Der
erste Geschäftsführer der BMW Motorsport GmbH und des BMW
Junior Teams steht auch den aktuellen Junioren Dan Harper (GBR), Max
Hesse (GER) und Neil Verhagen (USA) als Mentor zur Seite. Während
der aktuellen Zwangspause steht Neerpasch als Ratgeber regelmäßig
auf digitalem Weg mit den Junioren in Kontakt. Harper, Hesse und
Verhagen halten ihn zudem durch wöchentliche Berichte über ihr
Training auf dem Laufenden. Im Interview vergleicht Neerpasch die
heutige Nachwuchsförderung mit den Voraussetzungen, die das
legendäre erste BMW Junior Team 1977 hatte.
Videoclips zu Jochen Neerpasch und dem BMW Junior Team:
Jochen Neerpasch über die Anfänge der BMW Nachwuchsförderung:
https://b.mw/junior_team_YT
Jochen Neerpasch über die Gründung der BMW Motorsport GmbH:
https://b.mw/History_of_M.
Das BMW Junior Team über die Zusammenarbeit mit Jochen Neerpasch:
https://b.mw/Jochen_Neerpasch.
Herr Neerpasch, Sie haben die Geschichte der BMW Motorsport
GmbH seit 1972 über Jahre geprägt. Nun haben Sie die Idee des BMW
Junior Teams neu belebt. Wie ist es dazu gekommen?
Jochen Neerpasch: „BMW Motorsport ist mit dem Wunsch
auf mich zugekommen, bei der Entwicklung einer neuen
Schwerpunktsetzung der Nachwuchsförderung zu helfen. Ich habe dann
vorgeschlagen, zur Förderung eines BMW Junior Teams zurückzukehren.
Denn BMW hat in den vergangenen Jahrzehnten zwar sehr erfolgreich
junge Talente an die Spitze gebracht, aber immer individuell.“
Warum spielt der Teamgedanke für Sie so eine entscheidende Rolle?
Neerpasch: „Als Team sieht man mehr, erfährt man
mehr, tauscht sich untereinander aus und hilft einander. Das war schon
beim ersten BMW Junior Team 1977 zu beobachten und spielt nun eine
noch größere Rolle, da sich die Junioren bei den Langstreckenrennen
auf der Nürburgring-Nordschleife ein Fahrzeug teilen werden. Sie
müssen gemeinsam lernen, um gemeinsam besser zu werden. So werden sie
sich wesentlich schneller entwickeln, als wenn jeder nur für sich
allein arbeiten würde.“
Warum haben Sie sich für Dan Harper, Max Hesse und Neil
Verhagen entschieden?
Neerpasch: „Wir haben nach Fahrern gesucht, die sich
in ihren jeweiligen Rennklassen kontinuierlich gesteigert haben. Sie
sollten in jeder Kategorie, in der sie am Start waren, im oberen
Drittel gewesen sein. Zudem war uns wichtig, ein Team aus
internationalen Fahrern mit unterschiedlichen kulturellen
Hintergründen und Charakteren zusammenzustellen. Sie sollen einander
ergänzen und voneinander lernen.“
Wie sah im Vergleich dazu die Auswahl des ursprünglichen BMW
Junior Teams 1977 aus?
Neerpasch: „Im Grunde war es damals dasselbe System.
Eddie Cheever, Marc Surer und Manfred Winkelhock zählten seiner Zeit
zu den vielversprechendsten Nachwuchsfahrern verschiedener Kategorien
– und auch sie waren ein internationales Team mit unterschiedlichen
Charakteren. Bei ihnen war zu beobachten, wie gut sie als Team
zusammengearbeitet und wie viel schneller sie sich dadurch entwickelt
haben. Aus dieser Erfahrung heraus sind wir bei der Zusammenstellung
des aktuellen BMW Junior Teams einen ganz ähnlichen Weg gegangen.“
Cheever, Surer und Winkelhock waren damals für ihren
aggressiven Fahrstil berüchtigt. Sie haben Sie trotzdem nicht
gebremst, warum?
Neerpasch: „Weil das die Philosophie war. Sie sollten
völlig frei fahren. Wir haben sie ja damals in der Deutschen Rennsport
Meisterschaft sogar direkt gegen unsere erfahrenen Piloten antreten
lassen, um zunächst von ihnen zu lernen und sie dann herauszufordern.
Unser Anspruch war nicht, mit dem BMW Junior Team die Meisterschaft zu
gewinnen, sondern die jungen Talente zu fördern. So werden wir es auch
mit dem aktuellen BMW Junior Team handhaben.“
Haben Sie noch Kontakt zu Eddie Cheever und Marc Surer?
Neerpasch: „Ja, durchaus. Und nicht nur das: Ich bin
mir sicher, dass wir uns, sobald es wieder möglich ist, auch wieder
häufiger treffen werden. Denn die beiden sind sehr neugierig, ihre
Nachfolger kennenzulernen und sie an der Rennstrecke zu beobachten.“
Wie ist bei Ihnen die Idee entstanden, junge Rennfahrer
speziell zu fördern?
Neerpasch: „Als ich in den 1960er Jahren selbst
Rennen gefahren bin, galt Motorsport nicht als Sport. Entsprechend
galt ein Rennfahrer auch nicht als Sportler sondern als Autofahrer.
Das Fahrzeug machte die Arbeit. Dementsprechend waren die damaligen
Fahrer physisch so gut wie gar nicht auf die Belastungen vorbereitet.
An diesem Punkt habe ich nach meiner aktiven Karriere, als ich
Rennleiter wurde, angesetzt. Mir war es ein Anliegen, das System
Mensch-Maschine in den Vordergrund zu stellen und die Rennfahrer in
ihrer Vorbereitung zu unterstützen. Denn meine Überzeugung war schon
damals: Das beste Auto nutzt nichts, wenn der Fahrer dessen Potenzial
nicht ausschöpfen kann. BMW war dann der erste Hersteller, der Fahrer
professionell auf die Rennen vorbereitet hat.“
Wie hat sich der Rennsport aus Fahrersicht in den vergangenen
Jahrzehnten verändert?
Jochen Neerpasch: „Die Anforderungen, die heute an
einen Rennfahrer gestellt werden, sind völlig andere als zu meiner
Zeit. Damals war das Fahren eines Rennautos noch mehr ein Abenteuer,
weil es so gut wie keine technischen Hilfsmittel gab. Der Fahrer war
im Auto auf sich allein gestellt und konnte dem Ingenieur erst im
Nachhinein Feedback über das Fahrverhalten geben. Heute ist die
Technik teilweise weiter als der Fahrer und gibt ihm sogar vor, was er
in welcher Situation zu tun hat. Entsprechend andere Fähigkeiten sind
heute von einem Rennfahrer gefordert. Die Sensorik, mit der er an die
Sache herangehen muss, um das Optimum aus sich und seinem Fahrzeug
herauszuholen, ist eine ganz andere. Um diese auszubilden, benötigt
man natürlich geeignete Trainingsmethoden – wie zum Beispiel das
ganzheitliche Mental- und Fitnesstrainingskonzept der Formula Medicine.“
Zur Zeit des ersten BMW Junior Teams waren Sie Leiter der BMW
Motorsport GmbH. Wie haben Sie diese Zeit in Erinnerung?
Neerpasch: „Ab Ende der 1960er habe ich bei Ford im
Alleingang eine eigene Rennabteilung aufgebaut, und als wir anfingen,
mit unserem Ford Capri die damaligen BMW Coupés zu schlagen, hat mir
der BMW Vertriebsvorstand Anfang 1972 das Angebot gemacht, nach
München zu kommen. Wenige Monate später habe ich meinen Vertrag
unterschrieben. BMW wollte sein Motorsport-Engagement neu aufstellen,
und ich habe aus meiner Erfahrung bei Ford von Beginn an eine flexible
Organisation gefordert. Es musste eine eigene Motorsport-Abteilung
geben, die die Rennfahrzeuge baut und daraus abgeleitet dann auch
sportliche Hochleistungs-Fahrzeuge für die Straße entwickelt, mit
denen Geld verdient werden kann. Im Mai 1972 haben wir losgelegt und
als erstes den BMW 3.0 CSL entwickelt, der in den folgenden Jahren zum
erfolgreichsten Tourenwagen aufstieg. Insgesamt verlief die
Entwicklung der BMW Motorsport GmbH sehr rasant, und für mich war es
die schönste Zeit meiner Karriere.“
Wie blicken Sie heute auf das Projekt, das Sie damals begonnen haben?
Neerpasch: „Ich bin sehr stolz zu sehen, was aus der
BMW M GmbH geworden ist. Sie baut fantastische Autos, die man sowohl
auf der Rennstrecke als auch auf der Straße bewegen kann.“
Eine Ikone der BMW M GmbH und wohl auch Ihr größtes Projekt
war der BMW M1, richtig?
Neerpasch: „Der BMW M1 war sicher der Höhepunkt
meiner Zeit bei BMW. Das Projekt war nicht nur groß, es war auch
schwierig. Die Idee war, nicht wie zuvor aus einem Straßenfahrzeug ein
Rennfahrzeug zu machen, sondern ein Rennfahrzeug zu entwickeln und
daraus dann eine Straßenversion abzuleiten. Da der BMW M1 nicht im BMW
Werk gebaut werden konnte, haben wir als BMW Motorsport GmbH die
komplette Verantwortung für Entwicklung, Produktion und Vertrieb
übernommen. Das war damals ein sehr ehrgeiziges Projekt. Leider
konnten wir den BMW M1 nicht für offizielle Motorsport-Rennserien
homologieren. So entstand gemeinsam mit Max Mosley und Bernie
Ecclestone die Idee, die eigene M1 Procar Serie im Rahmenprogramm der
Formel 1 ins Leben zu rufen. Legendär war dabei das Aufeinandertreffen
der Formel-1-Stars mit etablierten Sport- und Tourenwagenfahrern in
identischen Fahrzeugen. Diese Rennen im BMW M1 waren fantastisch und
ein echter Zuschauermagnet.“
Fahren Sie heute selbst noch manchmal einen BMW M1?
Neerpasch: „Ja, sehr gerne. Der BMW M1 fährt sich
nach wie vor großartig. Ich hatte selbst einen, habe den aber
irgendwann verkauft. Schade eigentlich, denn der wäre heute
wahrscheinlich ein Vermögen wert.“