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Interview: Stefan Juraschek, Leiter Entwicklung Electric-Powertrain.
Fri Dec 28 10:00:00 CET 2018 Pressemeldung
Interview mit Stefan Juraschek, Leiter Entwicklung Electric-Powertrain.
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Niklas Drechsler
BMW Group
Tel: +49-89-382-28149
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Niklas Drechsler
BMW Group
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Herr Juraschek, hat BMW die Elektromobilität verschlafen?
Juraschek: Nein, definitiv nicht. Mit BMW i war die
BMW Group in einer Pionier-Rolle. Heute sind wir der
Premium-Hersteller mit dem breitesten Angebot an batterie-elektrischen
Fahrzeugen und Plug-in-Hybriden. Folgende elektrifizierte Fahrzeuge
bieten wir derzeit an: BMW i3 (dritte Weiterentwicklung mit 120 Ah) ,
BMW i3 S, BMW i8 Coupé, BMW i8 Roadster, BMW 740e, BMW 740Le, BMW
530e, BMW 225xe ActiveTourer, MINI Cooper S E Countryman ALL4 und in
China den BMW X1 xDrive25Le; darüber hinaus haben wir für 2019 wegen
Generationen-Wechseln die neuen Plug-in-Hybridvarianten der 3er
Limousine und des BMW X5 angekündigt. Bis 2025 soll die Zahl auf
mindestens dreizehn Plug-in-Hybrid Modelle steigen. Zusammen mit dem
breiter werdenden Angebot an rein elektrischen Fahrzeugen, deren
elektrische Reichweite bereits im kommenden Jahr signifikant steigt,
wird das Angebot dann mindestens 25 elektrifizierte Modelle umfassen.
Im vergangenen Jahr haben wir über 100.000 Einheiten verkauft, in diesem Jahr werden es rund 50% mehr sein.
Ist die BMW Group gerüstet, wenn die E-Mobilität in Zukunft
noch stärker an Fahrt aufnimmt?
Juraschek: Derzeit entwickelt die BMW Group die
bereits fünfte Generation ihrer Elektroantriebe und hat damit ideale
Voraussetzungen für die Zukunft gesetzt. Diese wird bereits 2020 im
BMW iX3 zum Einsatz kommen.
Ein entscheidender Vorteil dieser 5. Generation ist, dass die E-Maschine zusammen mit Getriebe und Leistungselektronik eine neue, hochintegrierte E-Antriebskomponente bildet. Diese sehr kompakte Einheit beansprucht deutlich weniger Platz als die drei einzelnen Komponenten der Vorgängergenerationen. Zudem ist sie dank ihres modularen Aufbaus skalierbar und kann an unterschiedlichste Bauräume und Leistungsstufen angepasst werden. Zeitgleich mit den neuen E-Antriebskomponenten wird die BMW Group die nächste Batteriezellgeneration in den neuen, skalierbaren und noch leistungsfähigeren Fahrzeugbatterien in Serie bringen. Dank der modularen Baukastenlösung können diese flexibel in der jeweiligen Fahrzeugarchitektur eingesetzt werden. Ergänzt wird das Portfolio durch eine ebenfalls hochintegrierte Lader/DC/DC Einheit.
Wie kann man sich das vorstellen?
Juraschek: Wir werden auf der einen Seite flexible
Fahrzeugarchitekturen haben und auf der anderen Seite die skalierbaren
und modularen Baukästen für die E-Antriebe. Das erhöht unsere
Flexibilität nachhaltig. Künftig können wir kurzfristig entscheiden,
welche Modelle in welchem Mix wir mit einem voll elektrischen Antrieb,
Plug-in-Hybrid oder einem hocheffizienten Verbrennungsmotor
ausstatten. So können wir jedes Modell je nach Marktnachfrage auch
teil- oder voll-elektrifizieren. Damit haben wir die Voraussetzungen
geschaffen, zukünftig reine Batteriefahrzeuge in die Breite zu bringen.
Wenn Sie Batteriefahrzeuge in die Breite bringen, sehen Sie da
nicht ein Risiko, gar nicht die nötigen Mengen an Rohstoffen zu bekommen?
Juraschek: Ein Versorgungsrisiko sehen wir auch bei
steigender Nachfrage nach Batteriezellen nicht. Über langfristige
Verträge haben meine Kollegen im Einkaufsressort für uns die
Versorgung gesichert. Zudem haben wir in-house Kompetenzen zur
Batteriezelle, die wir in Kooperationsprojekten mit internationalen
Partnern entlang der Wertschöpfungskette aufgebaut haben. Die nutzen
wir zur Sicherung des Technologiezugangs und der Versorgung.
Gleichzeitig versuchen wir den Anteil an kritischen Rohstoffen
schrittweise zu reduzieren. So ist beispielsweise die signifikante
Reduzierung des Kobalt-Anteils in der Batteriezelle ein wesentliches
Ziel unserer Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten. Ein anderes
Beispiel ist in unserem E-Antriebsstrang der fünften Generation die
E-Maschine, die ohne seltene Erden auskommt.
Lassen Sie uns noch kurz bei der Batteriezelle bleiben.
Prominente Konkurrenten von Ihnen setzen runde Zellen oder so
genannte Pouch-Zellen ein. Warum verwenden Sie prismatische Zellen?
Juraschek: Die prismatische Anordnung erlaubt eine
bessere Industrialisierungsfähigkeit der Batteriemodule durch die
Steigerung des Automatisierungsgrads bei der Modulmontage. Darüber
hinaus erreichen wir eine bessere Integration von Sicherheitssystemen
wie zum Beispiel eines Sicherheitsventils zur Abschaltung der Zelle
bei einem Kurzschluss. Außerdem können wir dadurch eine höhere
Packungsdichte und somit eine optimale Nutzung des
fahrzeugspezifischen Bauraums ermöglichen.
Zellhersteller aus China, Japan und Korea investieren seit
Jahren enorme Summen in die Zellentwicklung und künftige
Batterietechnologien. Können Sie deren Vorsprung – technologisch,
aber auch wirtschaftlich – überhaupt noch einholen?
Juraschek: Bei der Batterietechnologie können wir
keinen Vorsprung von Wettbewerbern gegenüber uns erkennen. In der
Summe der Eigenschaften ist unsere Batterietechnologie je nach
Betrachtungsweise auf Augenhöhe oder dem Wettbewerb voraus. Wir
beschäftigen uns bereits seit 2008 mit der Batteriezelle und sind
unter anderem mit einem internationalen Netzwerk an Kooperationen gut
aufgestellt. Für uns gilt, dass wir unsere Inhouse-Kompetenz weiter
ausbauen und die Batteriezelltechnologie weiter vorantreiben. Zudem
befähigt uns der Aufbau von Batteriezell-Prototypen und Kleinserien,
die Produktionsprozesse vollständig zu analysieren und eine sogenannte
„Build-to-Print Kompetenz“ aufzubauen. Damit können wir
Systemlieferanten von der Auswahl des Materials bis hin zur
Zellproduktion exakt nach BMW Group Vorgaben beauftragen.
Warum produzieren Sie die Batteriezellen dann nicht selbst?
Juraschek: Die BMW Group sieht derzeit und auch für
die kommenden Jahre keinen wettbewerbsdifferenzierenden Vorteil in der
Produktion der Zelle. Dort wo wir einen solchen Vorteil sehen,
produziert unsere konzerneigene E-Komponenten-Fertigung die
Komponenten auch selbst – wie zum Beispiel den elektrischen
Antriebsstrang. So fertigen wir selbst aus den angelieferten
Batterie-Zellen die Module und komplettieren diese zu Hochvoltspeichern.
Macht das wirklich Sinn? Einen E-Motor könnten Sie doch auch
von einem Zulieferer einkaufen?
Juraschek: Als die Entwicklung des BMW i3 konkreter
wurde, gab es keine E-Maschine auf dem Markt die alle unsere Kriterien
erfüllt hätte. Und auch heute wollen wir hinsichtlich der wesentlichen
Performance-Eigenschaften genauso wenige Kompromisse machen, wie bei
Bauraum, Leistung und Gewicht. Antriebe waren für die BMW Group schon
immer wettbewerbsdifferenzierend. Bei den E-Antrieben ist dies nicht anders.
Ein E-Motor ist doch wie der andere – kann der Kunde da
wirklich einen Unterschied erkennen?
Juraschek: Der Kunde wird nicht jede Eigenschaft der
E-Maschine zuordnen können, aber im direkten Vergleich ist der
Unterschied doch relevant. Am deutlichsten merkt der Kunde
wahrscheinlich, bis zu welcher Geschwindigkeit der Motor seine
Leistungsfähigkeit aufrechterhält. Indirekt merkt er, dass die
Reichweite schneller sinkt, wenn der Wirkungsgrad der E-Maschine
schlechter ist.
Die BMW Group arbeitet mit Northvolt und Umicore zusammen.
Warum eigentlich?
Juraschek: Das Ziel ist der Aufbau eines
geschlossenen Lebenszyklus für nachhaltige Batteriezellen in Europa.
Das beginnt mit einem Zelldesign, das Recycling ermöglicht und setzt
sich fort über einen Produktionsprozess, bei dem überwiegend
erneuerbare Energien verwendet werden. Zuerst sollten die
Batteriezellen möglichst lange im Fahrzeug ihren Dienst tun. Wenn Sie
dort nicht mehr genutzt werden, kommen sie möglicherweise in einem
stationären Speicher zum Einsatz. Zum Schluss werden die
Batterie-Zellen dann recycelt und die Rohmaterialien wiederverwendet.
So schließt sich dann der Kreislauf.
Und welcher der drei Partner hat dabei welche Aufgabe?
Juraschek: Die BMW Group hat den Schwerpunkt bei der
Zell-Entwicklung, Northvolt baut eine Zell-fertigung in Schweden auf
und Umicore ist der Spezialist für Materialkreislauf und Recycling.
BMW hatte bisher doch auch schon Entwicklungen zum Recycling
der Materialien gemacht. Was entsteht dann jetzt gemeinsam mit Umicore?
Juraschek: Ja, der Partner und wir bringen unsere
Grundsatzentwicklungen in dieser Partnerschaft. In der Zusammenarbeit
mit Umicore geht es um eine recyclinggerechte Zell- und
Batterietechnologie, die sich über einen nachhaltigen
Produktionsprozess fortsetzt. Zu einem späteren Zeitpunkt werden ja
große Mengen zum Recyceln zurückgeführt werden. Bevor es soweit ist,
sehe ich aber noch eine lange Phase der Primär-Nutzung in den
Fahrzeugen und die Nutzung in stationären Second-Life-Speichern.
Wie sieht diese Nutzung konkret aus?
Juraschek: Für die BMW Group ist die Verwendung
gebrauchter Batterien als stationäre Stromspeicher ein konsequenter
Schritt zu ganzheitlicher Nachhaltigkeit. Im Kontext der Energiewende
wird der Einsatz stationärer Stromspeicher enorm an Bedeutung
gewinnen. So kann ein Stationärspeicher in Zeiten eines Überangebots
an Strom aus erneuerbaren Energien, Strom aufnehmen. In Zeiten eines
zu geringen Stromangebots kann der Speicher wiederum Strom beisteuern.
Eine solche Netzstabilisierung durch den Einsatz gebrauchter Batterien
aus BMW i3- und MINI E- Prototypen haben wir bereits erfolgreich in
Entwicklungskooperationen zum Beispiel mit Vattenfall und Bosch oder
NextTera umgesetzt. Die Speicherfarm im BMW Group Werk Leipzig mit 700
BMW i3 Batterien beispielsweise ermöglicht es, nach dem Einsatz im
Fahrzeug in einem zweiten Lebenszyklus in einem nachhaltigen
energiewirtschaftlichen Geschäftsmodell profitabel zu nutzen. Damit
beweisen wir erneut, dass der Nachhaltigkeitsgedanke bei BMW i weit
über das Fahrzeug hinaus reicht.